PwC Marktanalyse: Bundesverwaltung ist abhängig von Microsoft

Im Auftrag des BMI wurde durch PwC Strategy& (Germany) GmbH eine “Strategische Marktanalyse zur Reduzierung von Abhängigkeiten von einzelnen Software-Anbietern” erstellt. Diese untermauert das Risiko einer wachsenden Technologieabhängigkeit der Öffentlichen Verwaltung in Deutschland, aber auch im europäischen Umfeld.

Die Argumentation und Diskussion dazu erinnert sehr an Dispute früherer Jahre, als es um die echten oder vermeintlichen Kostenvorteile von OSS Open Source Software gegenüber proprietärer Software – speziell Microsoft – ging. Wir drucken die Kurzfassung des Abschlussberichts vom August 2019 (s. unten), die vollständige Marktanalyse können Sie hier herunterladen oder weiter unten in diesem Artikel durchblättern.

1 Kurzfassung

“Die Bundesverwaltung setzt an vielen Stellen Standard-Produkte von kommerziellen Software-Anbietern ein. Einige dieser Anbieter scheinen ihre Angebotsmacht zu ihrem Vorteil zu nutzen und Anforderungen ihrer Kunden, z. B. das erhöhte Bedürfnis nach Informationssicherheit im öffentlichen Sektor, nicht bzw. nur unzureichend zu adressieren. Dies kann die digitale Souveränität der Verwaltung gefährden und beschäftigt nicht nur Bund und Länder hierzulande (z. B. Schleswig-Holstein), sondern ist auch in anderen Nationen Thema (z. B. Königreich der Niederlande, Republik Korea). Für die Bundesverwaltung ist die kurzfristige Untersuchung der Abhängigkeiten von Software-Anbietern unabdingbar, um geeignete Schritte zur Wahrung der digitalen Souveränität einzuleiten. Zudem wird durch das Projekt „IT-Konsolidierung Bund“ das Software-Portfolio der Bundesverwaltung mit dem verstärkten Einsatz von Standard-Produkten zunehmend zentralisiert. Dieser Prozess droht die Situation weiter zu verschärfen, bietet aber zugleich eine günstige Gelegenheit, die Entwicklung und den Einsatz von Software gezielt zu steuern sowie bestehende Abhängigkeiten zu reduzieren.
Dies ist Gegenstand der vorliegenden strategischen Marktanalyse, die PwC Strategy& (Germany) GmbH im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) erstellt hat. Grundlage bilden u. a. Interviews und Workshops mit Experten aus dem PwC/Strategy& Netzwerk, externen Wissensträgern sowie Mitarbeitern verschie-dener Bereiche der Bundesverwaltung, kombiniert mit einer umfangreichen Recherche interner und externer Daten. Auf dieser Basis werden zunächst die Abhängigkeiten entlang eines definierten Software-Stacks bewertet. Danach folgt eine Analyse des Software-Markts. Am Ende steht eine Einschätzung zur Abhängigkeit von einzelnen Software-Anbietern. Das geschieht durch eine Bewertung von Faktoren, die Abhängigkeiten begünstigen, und durch die Identifikation (potenziell) negativer Folgen (sogenannte Schmerzpunkte). Ähnliche Vorhaben zur Reduktion von Abhängigkeiten, die Hinweise auf potenzielle Erfolgsfaktoren geben können, ergänzen die Analyse. Auf dieser Basis lassen sich konkrete Handlungsoptionen und damit Empfehlungen für das weitere Vorgehen der Bundesverwaltung ableiten.

Die Erkenntnisse in Kürze:

  • Die Bundesverwaltung ist in allen Schichten des Software-Stacks von wenigen Software-Anbietern stark abhängig. Das gilt besonders für Microsoft, dessen Produkte vielfach eingesetzt werden und eng miteinander verknüpft sind (bspw. Outlook, Exchange und Windows Server). Daher werden die besonders häufig verwendeten Produkte Microsoft Office, Windows und Windows Server in der vorliegenden Studie im Detail untersucht.
  • Der Markt ist derzeit auf wenige Software-Anbieter konzentriert, dies begünstigt Abhängigkeiten grundsätzlich. Die strategische Ausrichtung dieser Anbieter droht diese Abhängigkeiten künftig noch zu verstärken. Dazu gehört der konstante Ausbau des eigenen digitalen Ökosystems, die zunehmende Umstellung von on-premise auf cloudbasierte Lösungen und ein stärkeres Engagement dieser Anbieter bei der Open Source-Software (OSS)-Entwicklung. Neben den marktführenden Produkten gibt es aber auch andere proprietäre und Open Source-Alternativen am Markt, die teilweise hinsichtlich der Leistungsfähigkeit vergleichbar sind.
  • Insbesondere die Abhängigkeit von Microsoft-Produkten führt gemäß den Ergebnissen der vorliegenden Analyse zu Schmerzpunkten bei der Bundesverwaltung, die im Widerspruch zu den strategischen Zielen der IT des Bundes stehen. Als kritisch befunden werden vor allem eingeschränkte Informationssicherheit und (datenschutz-)rechtliche Unsicherheit; beides Punkte, die die digitale Souveränität des Staates gefährden.
  • Nationale und internationale Beispiele zeigen, dass viele Organisationen bereits heute auch andere Lösungen einsetzen oder deren Nutzung erwägen, um ihre Abhängigkeiten von einzelnen Software-Anbietern zu mindern. Ein Großteil davon zielt darauf ab, Microsoft-Produkte durch Open Source-Lösungen zu ersetzen. Die Analyse ausgewählter Vorhaben zeigt potenzielle Erfolgsfaktoren dieser Lösungsansätze auf.

Generell bestehen vier Handlungsoptionen, um Abhängigkeiten zu reduzieren:

  1. Schaffung von Rahmenbedingungen, z. B. Aktionspläne, Richtlinien oder Gesetzgebung zur Produktdiversifizierung.
  2. Verhandlungen mit Anbietern zur Erwirkung notwendiger Produkt-/ Vertragsanpassungen (Kooperation auf EU-Ebene möglich).
  3. Ergänzung oder Ablösung von eingesetzten Produkten durch weitere proprietäre Software zur Diversifikation.
  4. Einsatz bzw. Aufbau von OSS-Alternativen nach Bedürfnissen der Bundesverwaltung.
Unabhängig von den einzelnen Handlungsoptionen sollten nächste Schritte rasch eingeleitet werden, um die digitale Souveränität der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten und Abhängigkeiten sowie (potenziell) negative Folgen nicht zu verschärfen. Eine zukunftsfähige Lösung für die gesamte Bundesverwaltung ist eng mit laufenden Initiativen wie der IT-K Bund in Einklang zu bringen.”

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