BRH Bemerkungen 2009 (Dezember 2009)

Eine erfolgreiche Haushaltskonsolidierung erfordert neben – manchmal auch unpopulären – finanzpolitischen Entscheidungen ein ordnungs­gemäßes, wirtschaftliches und verantwortungs­volles Handeln der Bundesverwaltung. Hierzu möchte der Bundesrechnungshof mit seinen diesjährigen Bemerkungen wiederum Hinweise und Empfehlungen geben. Er bietet damit eine fundierte und allgemein zugängliche Informationsbasis, auf der die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Umgangs mit den finanziellen Mitteln des Bundes beurteilt werden kann (S. 3).
Wir haben für Sie Textpassagen aus den „Bemerkungen 2009“ zum Thema “Wirtschaft­lichkeitsberechnungen” dokumentiert.

Freihändige Vergabe nur in engem Rahmen und mit angemessener Wirtschaftlichkeitsbegründung …

(Ziffer 5 –  Bundesamt … vergibt den Großteil seiner Projekte freihändig ohne Wettbewerb)

Das Bundesamt X hat über mehrere Jahre hinweg einen Großteil seiner Studien und Entwicklungsvorhaben ohne hinreichende Begründung freihändig vergeben. Dabei lag den meisten Vergaben nur ein einziges Angebot zugrunde..

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass das Bundesamt zwischen 63 und 85 % seiner Studien und Entwicklungsvorhaben freihändig vergeben hatte. Das Bundesamt begründete in den Vergabevermerken eine freihändige Vergabe in den meisten Fällen damit, dass

  • ein Vergleich der Angebote nicht möglich sei, weil die Leistung nicht hinreichend genau beschrieben werden könne, um mehrere Angebote miteinander vergleichen zu können oder
  • nur das ausgesuchte Unternehmen über das erforderliche Fachwissen für den Auftrag verfüge.

Der Bundesrechnungshof hat die große Anzahl der freihändigen Vergaben – insbesondere auf der Grundlage nur eines Angebotes – beanstandet. Er hat darauf hingewiesen, dass die Verdingungsordnung für Leistungen – Teil A freihändige Vergaben an enge Voraussetzungen knüpft.

Zudem bedeutet die Zulässigkeit einer freihändigen Vergabe im Ausnahmefall keineswegs, dass damit ein völliger Verzicht auf Wettbewerb einhergehen soll. Auch dann sind Vergleichsangebote einzuholen und dem Angebot den Zuschlag zu erteilen, das dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit am besten Rechnung trägt. … Zudem bestätigen die vom Bundesministerium genannten Kategorien den Bundesrechnungshof in seiner Auffassung, dass ein großer Anteil der freihändigen Vergaben auf vergabefremde Erwägungen zurückzuführen ist. Weder politischer Erfolgsdruck noch Präferenzen für bestimmte Unternehmen rechtfertigen ein Abweichen von dem Grundsatz, dass Leistungen im Wettbewerb zu vergeben sind. … soll durch das Vergaberecht ein Höchstmaß an Wettbewerb und Transparenz erreicht und die Ziele von Wirtschaftlichkeit und Korruptionsprävention unterstützt werden.

IT-Parallelstrukturen beseitigen, Rechenzentren zusammenlegen …
(Ziffer 10 –  Teure IT-Parallelstrukturen bei der Deutschen Rentenversicherung)

Die Deutsche Rentenversicherung könnte jedes Jahr Millionenbeträge sparen, wenn sie nicht große Programmsysteme nebeneinander einsetzen und weiterentwickeln würde. Zudem betreibt sie zu viele Rechenzentren.

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) gibt jährlich insgesamt etwa 350 Mio. Euro für ihre IT aus. Zwei Programmierkreise entwickeln seit vielen Jahren mit hohem Personalaufwand zwei große Programmsysteme parallel… Mit der Organisationsreform im Jahre 2005 vereinbarten die Träger der DRV, bis spätestens Ende 2010 nur noch ein Programmsystem einzusetzen. Nach derzeitigem Stand ist dies erst im Jahre 2017 beabsichtigt. Für die angestrebte Entwicklung eines neuen gemeinsamen Programmsystems mit eigenem IT-Personal werden Kosten in Höhe von 420 Mio. Euro erwartet. Zusätzlich sind 13 Mio. Euro für externe Unterstützung vorgesehen… Eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung als Basis für weitere Entscheidungen zum Gesamtprojekt lag nicht vor. Der Bundesrechnungshof hatte im Jahre 2000 gefordert, die damals 23 Rechenzentren aus Kostengründen in zwei Rechenzentren zusammenzuführen… Die Reduzierung auf die derzeit sieben Rechenzentren würde nach der Modellrechnung 44 Mio. Euro sparen.

Der Bundesrechnungshof hat kritisiert, dass die teuren Parallelstrukturen immer noch bestehen. Versuche, diese zu beseitigen, waren wenig erfolgreich. Viele Möglichkeiten, Kosten zu sparen, blieben ungenutzt. Mit Blick auf die erwarteten Entwicklungskosten von über 400 Mio. Euro ist eine fundierte Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für das neue gemeinsame Programmsystem unerlässlich. Dabei sind Handlungsalternativen sowie Termine für die Entwicklung und die Einführung des einheitlichen Programmsystems aufzuzeigen und zu bewerten.

Die sieben Rechenzentren sollten unverzüglich schrittweise zusammengelegt werden. Hierdurch ließen sich weitere Personalkosten sowie Sachkosten sparen, die die DRV nicht bezifferte. Die Zusammenlegung weiterer Rechenzentren hält der Bundesrechnungshof für wirtschaftlich geboten. Es kann dahinstehen, ob die Modellrechnung aus dem Jahre 2002 überholt ist. Das Versäumnis der Rentenversicherungsträger, diese zu aktualisieren, darf nicht dazu führen, unwirtschaftliche Strukturen zu erhalten. Der Bundesrechnungshof erwartet, dass die DRV Bund kurzfristig ermittelt, welche Einsparungen mit einer weiteren Zusammenlegung der Rechenzentren zu erzielen sind.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Bundesministerium) hat mitgeteilt, dass es die Forderungen des Bundesrechnungshofes ausdrücklich unterstütze…

Bundesministerium des Innern gibt wichtige Orientierungshilfen für die Internen Revisionen der Behörden… (#47)

Der Bundesrechnungshof setzt sich schon seit vielen Jahren für wirksame Interne Revisionen in der Bundesverwaltung ein. Das Bundesministerium des Innern ist den Empfehlungen des Bundesrechnungshofes gefolgt und unterstützt Bundesbehörden bei der Einrichtung und Arbeit Interner Revisionen. Insbesondere hat es Hilfestellungen in Form von einheitlichen Erläuterungen und einer Handreichung gegeben. Sie sollen Aufbau und Wirksamkeit Interner Revisionen in der Bundesverwaltung fördern. Sie umfassen Hilfestellungen für die praktische Arbeit der Internen Revisionen, darunter eine Musterrevisionsordnung, einen Gliederungsvorschlag für Prüfungsberichte sowie Hinweise zu Inhalt und Methodik einer risikoorientierten Prüfungsplanung. Das Bundesministerium hat weiter angekündigt, die Handreichung durch eine Fallstudie zu ergänzen. Ende 2010 wolle es die Umsetzung seiner Empfehlungen anhand bis dahin vorliegender praktischer Erfahrungen evaluieren.

Praxisleitfaden für Veränderungsprojekte (#50)

Der Bundesrechnungshof hat die Bundesregierung beraten, wie Verwaltungen Veränderungsprojekte besser planen und steuern können. Das Bundesministerium des Innern unterstützt die Empfehlungen und will die Verwaltungen auffordern, diese zu beachten. Es hat dazu einen Praxisleitfaden erstellt.

Der Bundesrechnungshof prüfte in den Jahren 2006 bis 2008, wie die Bundesverwaltung und vom Bund institutionell geförderte Einrichtungen wesentliche Veränderungsprojekte planten und umsetzten. Dabei ging es insbesondere um die Errichtung, Teilung oder Auflösung von Behörden. Der Bundesrechnungshof untersuchte auch die Einbindung der Beschäftigten. Er stellte fest:

  • Die Einrichtungen betrachteten die jeweiligen Änderungen überwiegend isoliert. Sie verknüpften ihre Maßnahmen selten mit übergeordneten Zielen. In vielen Fällen stellten sie die mit den Änderungen verbundenen Risiken nicht dar.
  • Die Projektverantwortlichen formulierten ihre Ziele meist abstrakt. So sollten z. B. Abläufe optimiert, Arbeitsergebnisse verbessert und die Mitarbeiterzufriedenheit gefördert werden, ohne dass dafür Messgrößen festgelegt wurden. Unbestimmt blieben auch wichtige Faktoren, wie Kosten und Qualität. Damit fehlten den Verwaltungen notwendige Informationen, um die Wirtschaftlichkeit der Änderungen beurteilen und sie zielgerichtet steuern zu können.
  • Die Einrichtungen setzten verschiedene Instrumente zur Kommunikation und Information ein, z. B. Rundschreiben, Personalversammlungen, Intranetforen und telefonische Auskunftsstellen. Nur wenige Einrichtungen planten und koordinierten den Einsatz dieser Mittel. So wurden notwendige Informationen bisweilen verspätet oder unzureichend mitgeteilt.
  • Wegen der Veränderungen kamen auf die Beschäftigten neue Anforderungen zu, beispielsweise geänderte Arbeitsabläufe und neue IT-Verfahren. Um diese Anforderungen erfüllen zu können, boten die Einrichtungen punktuell Schulungen, Workshops oder individuelle Unterstützung an. Häufig deckten diese Angebote nicht die Bedarfe aller Beteiligten ab. Nur vereinzelt erstellten die Einrichtungen umfassende Schulungskonzepte.
  • Durch die Änderungen entstanden oft Konflikte. Ursachen waren meist Ängste der Beschäftigten vor erhöhten Anforderungen, Kompetenzverlusten oder Gehaltseinbußen. Nur wenige Einrichtungen waren darauf vorbereitet.
  • Die meisten Verwaltungen prüften nach Abschluss der Veränderungsprojekte nicht ausreichend, inwieweit gesetzte Ziele erreicht wurden. Erfolg oder Misserfolg waren deshalb nicht feststellbar.
  • Sie analysierten nicht, welche Auswirkungen die Vorgehensweise im Veränderungsprozess hatte. Lehren für künftige Veränderungsprojekte konnten daher nicht gezogen werden.

Der Bundesrechnungshof hat kritisiert, dass regelmäßig der vom Gesetzgeber geforderte Nachweis der Wirtschaftlichkeit von Organisationsänderungen fehlte. Das notwendige methodische Wissen war grundsätzlich vorhanden, wurde aber selten angewendet. Der Bundesrechnungshof hat die Bundesregierung beraten und Vorschläge erarbeitet, wie die Bundesverwaltung und vom Bund institutionell geförderte Einrichtungen Veränderungen besser planen, umsetzen und evaluieren können … Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, seine Vorschläge in einen Praxisleitfaden für die Verwaltung aufzunehmen. Das Bundesministerium des Innern (Bundesministerium) hat die Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofes aufgegriffen. Die Bundesverwaltung und vom Bund institutionell geförderten Einrichtungen sollen seine Empfehlungen beachten. Das Bundesministerium hat einen Praxisleitfaden zum Veränderungsmanagement erstellt.

Beanstandet: große Teile der IT-Ausstattung ohne notwendige Aussagen zur Wirtschaftlichkeit (#58)

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass die Bundesnetzagentur seit Jahren einen großen Teil ihrer IT-Ausstattung und IT-Infrastruktur in nur einer Maßnahme mit der Bezeichnung „Netz & Services“ zusammenfasste. Die hierfür veranschlagten jährlichen Ausgaben lagen in den Jahren 2005 bis 2007 bei jeweils 5 Mio. Euro. Dies war etwa die Hälfte der gesamten IT-Ausgaben. Anstatt für die Haushaltsaufstellung die jeweiligen Kosten und Nutzen der von Art und Größe sehr unterschiedlichen Teilbereiche wie Server, Netze, PC, Drucker und Software zu ermitteln, betrachtete sie diese als Gesamtpaket. Die Bundesnetzagentur rechtfertigte dies damit, dass der Nutzen von IT-Infrastruktur allgemein anerkannt sei und im Einzelfall nicht mehr nachgewiesen zu werden brauche. Die zu veranschlagenden Haushaltsmittel begründete sie mit einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für das Gesamtpaket. Dort stellte sie den jährlichen Entwicklungs- und Betriebskosten einen Nutzen durch Personalkosteneinsparungen gegenüber, der pauschal jeweils 15 % ihrer aktuellen Personalkosten betrug. Diese Personalkosteneinsparungen waren rein fiktiv und führten nicht zu Stellenkürzungen. Nach Auffassung der Bundesnetzagentur brauche man 15 % mehr Personal, wenn man „rein manuell und ohne IT“ arbeiten müsse. Aufgrund dieser fiktiven Personalkosteneinsparungen wies die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einen hohen positiven Kapitalwert aus. Diese Zahlen wurden nicht nur als Planungsgrößen in den IT-Rahmenkonzepten, sondern auch jedes Jahr für die Aufstellung der IT-Haushalte der Bundesnetzagentur verwendet.

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die Bundesnetzagentur große Teile ihrer IT-Ausstattung ohne weitere Erläuterungen zu einer Maßnahme zusammengefasst hat. Damit lagen notwendige Aussagen zur Wirtschaftlichkeit der Einzelmaßnahmen und über alternative technische Lösungsmöglichkeiten nicht vor. Der Hinweis auf die Bedeutung der IT-Infrastruktur in der heutigen Informationsgesellschaft rechtfertigt die unzureichende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nicht. Anstatt Kosten und Nutzen für verschiedene technische Lösungsmöglichkeiten zu ermitteln und zu bewerten, hat sich die Bundesnetzagentur für eine bestimmte technische Ausstattung entschieden. Für diese errechnete sie durch fiktive Personalkosteneinsparungen einen positiven Kapitalwert ohne jemals tatsächlich eine Stelle einzusparen. Damit begründete die Bundesnetzagentur jahrelang ihre Haushaltsansätze für IT-Maßnahmen.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Bundesministerium) aufgefordert, die Bundesnetzagentur anzuhalten, die beabsichtigten Ausgaben bei der Aufstellung ihres IT-Haushaltes den einzelnen IT-Bereichen zuzuordnen. Das Bundesministerium sollte weiter dafür sorgen, dass die Bundesnetzagentur aussagekräftige Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen für verschiedene technische Lösungsmöglichkeiten erstellt.

… Der Bundesrechnungshof sieht in der Aufteilung der bisherigen Gesamtmaßnahme in drei Teilmaßnahmen einen notwendigen Schritt. Er befürwortet, dass aussagekräftige Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen für die einzelnen Maßnahmen erstellt werden sollen. Die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen sind eine unverzichtbare Grundlage für die Aufstellung und Bewilligung des IT-Haushaltes. Der Bundesrechnungshof wird prüfen, ob und inwieweit sich Personalkosteneinsparungen realisieren lassen und im Personalhaushalt abgebildet werden.