Warum die E-Rechnungs-Pflicht eine Chance für viele Unternehmen ist

Vorteile der Digitalisierung nutzen

“Studiert man aufmerksam das „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“ (kurz: Wachstumschancengesetz) und dort die Artikel 29 und 30, so stellt man schnell fest, dass der Gesetzgeber zukünftig die Umsatzsteuer elektronisch erfassen möchte. Dafür kommt jetzt die Pflicht zur elektronischen Rechnung.

Dabei sind die deutschen Unternehmen in Bezug auf ihre Rechnungslegung immer noch sehr papier- und PDF-liebend sind. Wenn man bedenkt, dass diese Pflicht stufenweise ab 2025 eingeführt und bereits 2028 allumfassend gelten soll, kann man sich schnell vorstellen, dass das eine oder andere Unternehmen hier zumindest etwas aus der Bahn geworfen wird.

Der Gesetzgeber legt bei der Pflicht nun auch explizit fest, was eine elektronische Rechnung genau ist: ein strukturiertes, maschinenlesbares Datenformat, das z.B. in einer Auszeichnungssprache wie XML verfasst ist. Der sog. „Papiervorrang“ entfällt ab 2025, und damit implizit auch die Möglichkeit, PDF-Dateien zu verwenden.

Dabei ist der Schmerz, schnell eine elektronische Rechnung zu legen, für eine gute Anzahl der Firmen kein neuer mehr: Vielfach gilt bereits im europäischen Ausland die Pflicht zur E-Rechnung, sodass der exportierende Mittelstand seit Längerem hinreichend Berührung mit Formaten und Techniken hat.

E-Invoicing für den Rechnungsausgang – es ist kompliziert

Betrachtet man dazu zunächst den Rechnungsausgang, erscheint auf den ersten Blick die Implementierung der Digitalisierungsprozesse recht einfach: Man fakturiert in seinem Abrechnungssystem wie gewohnt und nutzt den Output in Form einer PDF-Datei, um daraus mittels OCR oder AI die digitalen Daten auszulesen, die dann in das gewünschte Rechnungsausgangsformat wie ZUGFeRD oder XRechnung verwandelt werden. Dieses kann dann auf unterschiedlichen Wegen versandt werden. So weit, so gut.

Allerdings benötigt der Prozess bei näherer Betrachtung dann doch ein paar Zutaten mehr, die zumindest betrachtet werden sollten.

Da ist natürlich zum einen der offensichtliche Medienbruch: Die strukturierten Rechnungsdaten aus dem Abrechnungssystem werden in ein unstrukturiertes Bildformat (PDF) gewandelt, nur um wieder in strukturierte Daten verwandelt zu werden. Eine bessere, um mögliche Fehlerquellen reduzierte Methode wäre hier, direkt auf die strukturierten Daten aus der Abrechnung zurückzugreifen. Dies kann zum Beispiel mit einem entsprechenden Exportmodul oder über Reporting-Schnittstellen geschehen, die bei vielen Herstellern solche Daten zur Verfügung stellen können.

Zusätzlich stellen sich die Fragen nach Archivierung und Nachverfolgung. In der Archivierung ist dabei darauf zu achten, welches das rechtlich verbindliche Rechnungsdokument ist und wo es erzeugt wird – im Abrechnungssystem, in einem Konverter-Modul, auf einer externen Plattform? In jedem Fall muss diese Lösung das Dokument der Archivierung zur Verfügung stellen.

Die Nachverfolgbarkeit elektronischer Rechnungen stellt einen großen Vorteil gegenüber der Rechnungslegung per E-Mail oder Briefpost dar. Diese sollte man nutzen, beispielsweise durch integrierte Cockpits. Diese können, entsprechende Ausprägung vorausgesetzt, nicht nur den Versandstatus anzeigen und überprüfen, sondern geben eine Meldung bei fehlgeschlagenen Übertragungen und helfen so bei den Korrekturen.

Rechnungseingang ist noch komplexer

Im Rechnungseingang sind in der Regel die damit verbundenen Prozesse um einiges komplexer, sodass eine Einführung des digitalen Rechnungsempfangs zunächst deutlich teurer und aufwendiger ist. Als Beispiel sei hier die Eingangsprüfung genannt, die zunächst formal das abgesprochene Datenformat, dann die Vollständigkeit gemäß der aktuellen Gesetzgebung (bspw. § 14b Umsatzsteuer-Gesetz) und schließlich die inhaltliche und sachlich-richtige Prüfung einbezieht. Alle diese Schritte sollten medienbruchfrei digital erfolgen.

Allerdings sind auch die Einsparpotenziale deutlich höher als im Versand von Rechnungen. Es gibt ernst zu nehmende Berechnungen, die einen voll digitalisierten Rechnungseingang um den Faktor 15 (!) preiswerter sehen als einen komplett analogen Eingang. Diese Zahl sollte man den zugegebenermaßen nicht geringen Anfangskosten entgegenstellen.

Wie man sieht, ist die Digitalisierung des Rechnungsversandes und des -empfangs durchaus mühselig. Aber sie steckt auch voller Chancen, um die eigenen Prozesse effizienter, schlanker und transparenter zu gestalten. Aus dieser Perspektive sind die regulatorischen Anforderungen nicht mehr als ein zeitlicher und technischer Rahmen für die Modernisierung der Ein- und Ausgänge.

Intern entwickeln oder von extern helfen lassen?

Zu guter Letzt noch einen Blick auf die Umsetzung eines solchen Vorhabens: Hier stellt sich fast zwangsläufig die Frage, ob man einen externen Dienstleister mit der Digitalisierung des Rechnungswesens beauftragt oder dies intern vollzieht, also eine klassische „make or buy“ Entscheidung.

Die Gründe für „make“ liegen bei kleineren Unternehmen vorrangig bei der Furcht vor den Kosten, während größere Unternehmen meinen, sie hätten in der IT und der Fachabteilung ausreichend Kapazitäten, um die Digitalisierung ohne fremde Hilfe zu gestalten.

In beiden Fällen lohnt zumindest ein Gespräch mit einem der zahlreichen Dienstleister, die es dazu auf dem Markt gibt. Gerade, weil in den meisten Unternehmen ein digitaler E-Rechnungsverkehr nicht zum Kerngeschäft gehört, ist die Betrachtung der „Total Cost of Ownership“, also der Gesamtkosten für die Einführung, essenziell. Es kann deutlich preiswerter sein, wenn man externe Spezialisten zurate zieht, als wenn man internen Kräften durch Schulungen, Recherche und zahlreiche Testaufbauten das Wissen erst vermitteln muss.

Hinzu kommt, dass die Entwicklung der E-Rechnung noch eine gewisse Volatilität zeigt: Rechnungsformate ändern sich oder werden ersetzt, Übertragungswege werden angepasst, Authentifizierungsregeln können sich ändern etc. Diese Änderungen sollten ebenfalls mit in die Kalkulation aufgenommen werden.

Alle müssen mitziehen

Ist der Schritt geschafft und Rechnungseingang bzw. -ausgang für den Austausch von E-Rechnungen qualifiziert, gilt es, mit den Geschäftspartnern eine Vereinbarung zu treffen, um Rechnungen ab sofort elektronisch auszutauschen. Notwendige Abstimmungen der Formate, des Transportweges und das Festlegen bestimmter Merkmale zur Weiterverarbeitung sind Details, die in Zusammenarbeit mit Lösungsanbietern geklärt werden. Hier können beispielsweise Plattformen weiterhelfen, die zahlreiche Formate und Transportwege anbieten sowie Transformationen von Format A in Format B vornehmen.

Spannender ist hier eine Art Kaskaden-Effekt, den wir am Markt sehen werden: Wenn immer mehr Unternehmen die entsprechenden Umstellungen vornehmen und ihre Geschäftspartner zum elektronischen Austausch ermuntern, wird schnell eine kritische Masse erreicht, sodass die E-Rechnung erst eine relevante Größe und später dann den Standard darstellt. Selbst im Land der PDF- und Papierliebhaber.”

Dieser Gastbeitrag von Marcus Jeschke erschien in Cloud Computing Insider am 08.01.2024.  Der Autor Marcus Jeschke ist seit 2018 Geschäftsführer der Capevision GmbH aus Berlin, einem IT-Dienstleister und Anbieter für ASP-basierende Servicedienste. Der Kaufmann und studierte Mathematiker arbeitete als Programmierer von Datenbank-Applikationen, Spezialist für Reportings und war als Projektleiter bei einem Unternehmen für Kundenbindungssysteme tätig. Bei Capevision liegt sein Fokus auf dem Vertrieb und der Bestandskundenbetreuung. 

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