Governance (und anderes) von öffentlichen Bauprojekten

Die GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. hat im Heft 1.2017 von projekt Management aktuell mehrere interessante Artikel veröffentlicht, die sich direkt oder indirekt auch mit dem Problem ‘Wirtschaftlichkeit’ von öffentlichen Bauprojekten beschäftigen. Interessenten empfehlen wir, zu der Publikation zu greifen (Klick auf das Bild führt Sie zur Startseite der GPM).

Wir geben Ihnen hier einige Hinweise auf Inhalte des Heftes:

Governance von öffentlichen Bauprojekten
S. 26-31 Norman Heydenreich (Autor)

“Eine Studie der Hertie School of Governance hat für 170 ausgewählte öffentliche Großprojekte aus unterschiedlichen Bereichen eine durchschnittliche Kostensteigerung von 63 Prozent errechnet. Für abgeschlossene Projekte (n = 119) beträgt die durchschnittliche Kostensteigerung pro Projekt 73 Prozent. Unvollendete Projekte (n = 51) weisen durchschnittliche Kostensteigerungen von 41 Prozent pro Projekt auf […]. Diese Kosten werden bis zum Projektabschluss allerdings weiter steigen…

Für abgeschlossene Bauprojekte beträgt die durchschnittliche Kostensteigerung pro Projekt 44 Prozent. Große Infrastrukturprojekte verzeichnen jedoch weitaus größere Überschreitungen. So beträgt der Anstieg der Kosten des Berliner Flughafenprojektes BER von ursprünglich geplanten 2,5 Mrd. Euro auf bislang 5,4 Mrd. Euro (125%) und der Bauzeit von kalkulierten 2,5 Jahren auf wahrscheinlich 7,5 Jahre (200%). Bei der Analyse kommen die Forscher zu dem Ergebnis, dass die Kosten- und Zeitüberschreitungen ihre Ursache in Defiziten des Governance-Ansatzes haben: Eine projektspezifische Governance wurde nicht aufgebaut; die auf den Flughafenbetrieb spezialisierte Flughafengesellschaft (FBB) war mit dem Bau eines vollständig neuen Flughafens überfordert; dem überwiegend mit Politikern besetzten Aufsichtsrat fehlte das Fachwissen; ein externes Controlling wurde nicht etabliert. In dieser Situation setzte der Verzicht auf einen Generalunternehmer und die anschließende Aufteilung in viele kleine Gewerke eine Fehlerspirale in Gang. Diese Fehlerspirale hätte bei einer für die FBB passenden Governance vermieden werden können […].Defizite in der Führungs- und Steuerungskompetenz des öffentlichen Auftraggebers zeigen sich auch in vielen anderen Großprojekten: Interessen und Kräfte der Projektbeteiligten werden nicht auf gemeinsame Projektziele hin gebündelt, private Auftragnehmer verdienen durch Planungsdefizite und -änderungen auf Kosten der Steuerzahler. Nur auf der Grundlage einer wirksamen Governance öffentlicher Projekte im Interesse des Gemeinwohls kann es eine vertrauensvolle Zusammenarbeit geben, die nicht zulasten der Steuerzahler geht […].”

Führung in Bauprojekten
S. 34-40 Martin Rost, Rafaela Kraus, Nicole Graiss, Christoph Ehrhardt (Autoren)

“Termin- und Kostenüberschreitungen sowie technische Probleme sind bei großen Bauvorhaben an der Tagesordnung, zu trauriger Berühmtheit gelangten Beispiele wie der Berliner Flughafen und die Elbphilharmonie in Hamburg. Das Risiko eines Scheiterns ist bei Bauprojekten besonders groß, nicht nur aufgrund der Neuartigkeit und Komplexität der Aufgabe, auch der Zeitdruck ist enorm. Kosten werden oft absichtlich zu optimistisch geplant, alles soll „im ersten Anlauf“ geschafft werden und es gilt, die Interessen einer Vielzahl von – oft auch politischen – Stakeholdern zu wahren. Bauprojekte stellen daher an ihre Führung besonders hohe Anforderungen. […]

Daher ist es verwunderlich, dass die Führung in den komplexen Projekten der Baubranche bislang kaum untersucht wurde, obwohl der Erfolg eines Bauprojektes entscheidend davon abhängt, wie die großen und äußerst heterogenen Teams geführt werden. In einer Studie von Graiss […] wurden Interviews zum partizipativen Führen mit Experten für Bauprojekte inhaltsanalytisch ausgewertet. Hier erfahren Sie, welche Verhaltensweisen einen angemessenen und erfolgreichen Führungsstil im Bauprojektmanagement auszeichnen und erhalten konkrete Empfehlungen für die Steuerung Ihrer Projekte.”

Lean construction – auch für Mittelstand und kleinere Projekte?
S. 41-47 Elisabeth Krön (Autorin)

“Die Prinzipien des LEAN-Managements  entfachen im Bauwesen in Deutschland aktuell eine beeindruckende Breitenwirkung und tragen zu verbesserter Wertschöpfung im Unternehmen bei. Auch Bauherren profitieren in Form kürzerer Bauzeiten. Dies trifft nicht nur auf die großen Baukonzerne, sondern auch auf den Mittelstand zu. Es entstehen bauspezifisch angepasste Werkzeuge und Verfahrensweisen. […]

„Muda. Es ist das einzige japanische Wort, das Sie wirklich kennen müssen.“[…] Die Vermeidung und Reduzierung von Verschwendung ist, neben einem ausgeprägten Kooperationsgedanken und flachen Hierarchien, zentraler Fokus von LEAN. Dieses Potenzial zum Reduzieren von Verschwendung auf Prozess- und Materialebene wird derzeit im Bauwesen intensiv wahrgenommen. Kürzere Bauzeiten sind bei konsequenter Anwendung von Taktplanung ebenso möglich wie kooperativere Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Voraussetzungen sind jedoch unter anderem eine feste organisatorische und vertragliche Verankerung der neuen Arbeitsweisen, entsprechende Ausbildung und teils auch veränderte Organisationsformen.”

Mehrwertpotenzial bei der Kostenermittlung mit der BIM-Methode in Deutschland
S. 60-67 Wael Sharmak (Autor)

“Bei den klassischen Planungsprozessen im Bauwesen sind in der Vergangenheit Schwachstellen aufgetreten, die zu Kosten- und Terminüberschreitungen geführt haben. Aufgrund der separaten Planungsprozesse der Projektbeteiligten und der geringen Digitalisierungstiefe im Vergleich zu anderen Industriezweigen werden Planungsfehler und Inkonsistenzen häufig spät oder sogar erst bei der Ausführung entdeckt. Die modellbasierte Arbeitsweise mit der BIM-Methode soll dabei helfen, diese Probleme zu überwinden und eine weitere Verbesserung der Arbeitsqualität über den gesamten Lebenszyklus des Bauwerks zu ermöglichen. Aus der Sicht der Planung werden hier einige Mehrwertaspekte der BIM-Methode mit Fokus auf die Kostenermittlung in Deutschland hervorgehoben. […]

Die BIM-Methode sorgt für einen IT-unterstützten und effizienten Informationsfluss für alle Beteiligten an der Planung und somit können einige Baurisiken in den frühen Planungsphasen einfacher und präziser ermittelt und proaktiv kontrolliert werden.

International erfolgt der Einsatz der BIM-Methode im Baugewerbe seit Jahren. In Ländern wie den USA, Finnland, Dänemark, Großbritannien und Singapur gibt es schon BIM-Standards, und die BIM kommt unter unterschiedlichen nationalen Bedingungen für die Planung von Bauprojekten verpflichtend zum Einsatz. Im Gegensatz dazu wurde erst 2013 in Deutschland der erste BIM-Leitfaden im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung herausgegeben […]. Dieser stellt jedoch keinen BIM-Standard für Deutschland dar. Die intelligente Nutzung des BIM-Modells soll signifikante Vorteile für den gesamten Lebenszyklus des Bauwerks anbieten. Was sind die Mehrwertaspekte, die die BIM-Methode im Gegensatz zu der traditionellen Bauplanung in Deutschland verspricht? Aus der Sicht der Planung werden einige mögliche Vorteile mit Fokus auf die Kostenermittlung beleuchtet.”

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