Wahl des Zinssatzes für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen / WiBe-Projekte

Das Ergebnis der Kapitalwertmethode (“Kapitalwert”) wird entscheidend beeinflusst von dem Kalkulationszinssatz, mit dem die Werte ab- bzw. aufgezinst werden. Die Wahl des Zins­satzes ist also von besonderer Bedeutung und nicht in das Belieben jedes einzelnen Anwenders gestellt. Auf der Internetseite des Bundesministeriums der Finanzen werden die Personalkostensätze unter

www.bundesfinanzministerium.de (Suchbegriff "Personalkosten, Sachkosten und Kalkulationszinssätze")

veröffentlicht. Das Dokument mit dem GZ II A 3 – H 1012-10/07/0001 wird regelmäßig aktualisiert und enthält den vorgeschriebenen Kalkulationszinssatz; er beträgt (Stand 2023, Veröffentlichungsdatum 07. Juli 2023):

  • 0,9 % p.a. nominal

Das BMF ermittelt auf der Grundlage der Finanzierungskosten des Bundes der letzten 5 Jahre einen Durch­schnitts­zinssatz und bezeichnet diesen als (nicht preisbereinigten) nominalen Kalkulationszinssatz. Zusätzlich wurde daraus bis 2010 der sog. reale Kalkulationszinssatz errechnet, der um die durchschnittliche Preis­steigerungs­raten der Vergangenheit bereinigt war. Das BMF empfiehlt seit 2011, nur den nominalen Zinssatz zu verwenden, um die Preis­entwick­lung künftiger Zahlungen angemessen zu berücksichtigen. Das BMF hat sich damit der Sichtweise des BRH Bundesrechnungshofes angeschlossen: nach Ansicht des Bundes­rech­nungs­hofes (S. 128 Jahresbemerkungen 2007) sollten die Anwender einheitlich angehalten werden, den nominalen Zinssatz zu verwenden “und – ggf. auf der Grundlage von Orientierungsgrößen für künftige Preis­erwartungen – künftige Zahlungen so verlässlich wie möglich zu schätzen“.

  • Korrekt ist die Verwendung des nominalen Zinssatzes, wenn zukünftige Zahlungen mit Einrechnung von Preissteigerungen verwendet werden und/oder
  • wenn die Beträge der Zahlungen bereits heute “fix” sind und sich der Höhe nach nicht ändern werden (Beispiel: Vertraglich fixierte Leasingraten ohne Preisklausel)

Überblick “Kleine Historie der BMF Zinssätze”

Die Zinssatz-Vorgaben des BMF haben sich im Laufe der Jahre signifikant geändert –
hier ein kleiner Auszug:

Jahr Zinssatz nominal
2005 4,3
2007 4,0
2009 3,3
2010 3,4
2011 3,3
2012 3,1
2013 2,3
2014 1,7
2015 1,3
2016 1,0
2017 0,7
2018 0,6
2019 0,5
2020 0,5
2021 0,7
2022 0,8
2023 0,9

Generelle Empfehlungen

Die Wirtschaftlichkeitsberechnung sollte einen (1) einheitlichen nominalen Zinssatz für alle Zahlungen ver­wenden. Es gilt ebenfalls, dass in alle zukünftigen Zahlungen eine begründete (und dokumentierte) Preis­erwartung einzurechnen ist. Dieses Vorgehen ist zwar aufwändiger (die ‘Rohdaten’ müssen nicht nur möglichst exakt berechnet werden, sondern auch Annahmen über Preissteigerungen/-senkungen enthalten) – es entspricht aber der BMF-Vorgabe und auch der Argumentation des BRH 2007.

“Begründete Preiserwartung” am Beispiel Bremen:

“Im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsrechnungen sind nachfolgende Preisindizes zu verwenden (in begründeten Fällen kann der Bearbeiter der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung andere Preissteigerungsraten ansetzen):

Allgemeine Preissteigungen (Jahresdurchschnitt 2022): 8,7 %
(Statistisches Landesamt Bremen, Verbraucherpreisindex Stadt Bremen, Gesamtindex)
Quelle (Stand Januar  2023): https://www.finanzen.bremen.de/haushalt/wirtschaftlichkeitsuntersuchungen/1-hilfe-fuer-vorlagenersteller/1-3-rahmendaten/1-3-5-preisindizes-7671

Anmerkung:

Die Handhabung in den Bundesländern, die das WiBe-Konzept als  Regelungswerk einsetzen, ist unter­schiedlich: während in einigen Ländern die Angaben des BMF übernommen werden, gilt in anderen Bundes­ländern ein davon abweichender Zinssatz als verbindlich.

Abweichende Kalkulationszinssätze (Bremen 2023):

Stand: Oktober 2023

Kalkulations-Zeitraum nominal
<= 2 Jahre  4,55 %
<= 5 Jahre  4,10 %
<= 10 Jahre  4,00 %
<= 20 Jahre  3,90 %
> 20 Jahre siehe Hinweis

Hinweis: Zinssätze für längerfristige Zinsbindungen sind schriftlich beim Senator für Finanzen, Referat 23 nachzufragen…

(Quelle Stand November 2023: https://www.finanzen.bremen.de/haushalt/wirtschaftlichkeitsuntersuchungen/1-hilfe-fuer-vorlagenersteller/1-3-rahmendaten/1-3-4-zinssaetze-7669)

Und: Es ist üblich (“außerhalb der Verwaltung”), den Kalkulationszinsfuß als Selektions­instrument zu nutzen und die Höhe des Zinssatzes deutlich über den oben angeführten Durchschnittswerten anzusetzen: nur Projekt­anträge, die “trotz” eines hohen Kalkulationszinssatzes (beispielsweise 12 %) einen positiven Kapital­wert aufweisen, erhalten  die Chance, durch Leitungsbeschluss in das Projekt-Portfolio aufgenommen zu werden.

[Beitrag zuletzt aktualisiert 12.11.2023  © WiBe-TEAM]

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